Was dein Ärger dir eigentlich sagen will....

Wann warst du das letzte Mal so richtig wütend? Wütend auf deinen Chef, deinen Partner, deine Freundin, deine Eltern...

Hat jemand so richtig deine Grenze überschritten? Dich gekränkt, dir Unrecht getan? Dich in deinen Grundmauern erschüttert und das vielleicht sogar noch auf ganz hinterlistige Weise?

Du ärgerst dich über das Verhalten des Autofahrers vor dir, über die Bürokratie, die dir den letzten Nerv raubt, deine Kinder, die ihre Sachen rumliegen und sich bedienen lassen?

Ärger und Wut sind fast täglich unsere Begleiter und erschweren unser Leben – auch unser Miteinander. Oft liegen hinter Wut und Ärger nichts anderes als verborgene Gefühle und Gedanken, die, wenn wir sie aufdecken und zulassen endlich Raum bekommen und uns freier und authentischer fühlen lassen. Oft ist eine unbändigende Wut nur Ausdruck von Frustration oder Ohnmacht und ein furchterregender Ärger ein Ausdruck von Trauer und Hoffnungslosigkeit. Dies erscheint vielleicht bei erstem Hinsehen durchaus unlogisch, eröffnet aber bei genauerer Analyse den Kontakt zu unerfüllten, verborgenen Bedürfnissen, denen es gilt Raum zu geben.

Dieser Raum ist der erste Schritt um diese Bedürfnisse zu befriedigen und um somit Heilung zu erfahren.

Die Wut und der Ärger sind nur das Mittel um die Ursache dieser beiden Gefühle auf das Verhalten anderer zu schieben. Wir machen andere dafür verantwortlich, dass wir solche negativen Gefühle überhaupt hegen. Überzeugt davon, dass unsere Gefühle gerechtfertigt sind. Überzeugt, dass andere Personen schuld daran seien, dass wir so unangenehme Gefühle jetzt ausbaden müssen, verkennen wir völlig, dass nur unser Denken und nicht das Verhalten anderer der Ursprung unserer Gefühle ist.

Würden wir bei uns bleiben mit unserem Denken und die unerfüllten Bedürfnisse klar definieren welche sich auftun, wenn z.B. der Partner jeden Abend seine Kleidung wo liegen lässt, statt ihn dafür zu beschuldigen, würden bereits ganz andere Gefühle zum Vorschein kommen.

Was fehlt mir, wenn mein Partner sein Gewand verteilt? Vielleicht wünsche ich mir mehr Gleichberechtigung, ist es einfach nur die Wertschätzung meiner Arbeit, wenn ich ihm „hinterherräume“ oder wünsche ich mir ganz einfach mehr Rücksichtnahme?

Was auch immer es sein mag, wenn wir von den verurteilenden Gedanken ablassen und uns stattdessen unseren ureigenen Bedürfnissen zuwenden, werden wir sehr schnell klarer sehen, war wir denn wirklich brauchen würden um uns wohler zu fühlen.

Der nächste Schritt ist dann die Verbalisierung der eigenen Bedürfnisse. Unschwer zu verstehen, dass Sätze wie: „Ich fühle mich wirklich missverstanden, wenn ich das Gefühl habe mich zu bemühen, aber trotzdem das Gefühl habe, nicht ausreichend wahrgenommen zu werden.“ Oder „Ich bemühe mich wirklich euch allen ein angenehmes Heim zu schaffen, aber ich bekomme nicht ausreichend Wertschätzung von euch dafür, wenn ihr dann alles einfach liegen und stehen lässt. Ich würde mir mehr Mithilfe im Haushalt wünschen.“ besser ankommen als „Du hörst mir nie zu.“ oder „Immer mache ich mich für euch zum Affen, ihr seid so egoistisch.“

Es ist zugegebenermaßen alles andere als einfach in Momenten der aufkommenden Wut ruhig zu bleiben und statt wie gewohnt der Kritik am anderen freien Lauf zu lassen, sich gesammelt und ruhig den eigenen Bedürfnissen zuzuwenden, die noch dazu oft verdeckt und versteckt sind.

Doch lohnt es sich wirklich, bevor man losschießt definitiv 2, 3 tiefe Atemzüge zu nehmen und sich auf die Suche zu machen.

Wenn wir die Bereitschaft zeigen, statt vorschnell der Wut etwas zeitversetzt unseren Gefühlen und Bedürfnissen Platz zu geben, wird mit Sicherheit die Wahrscheinlichkeit steigen, dass wir uns besser mitteilen können und somit auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir vom anderen gehört werden. Und gehört zu werden ist die Grundvoraussetzung um verstanden zu werden.

Bleiben wir in unserer Wut und in unserem Ärger, endet es schlimmstenfalls in einem Hin- und Herschieben der Vorwürfe, denn das Gegenüber wird wahrscheinlich reflexartig ebenso in Wut und Ärger verfallen, wenn man ihm „ungerechterweise“ Dinge unterstellt. Der Streit ist perfekt! Es folgt zwangsläufig ein „Wer-gewinnt-Spiel“, wo es eigentlich nur Verlierer geben kann, denn am Ende hat keiner seinen Bedürfnissen und Gefühlen Raum gegeben. Die Grundvoraussetzung für deren Erfüllung.

Wie kann es nun also in der Praxis funktionieren?

Wenn du dich wieder mal dabei ertappst irgendwem wütend die Schuld für „dein Elend“ zu geben, dann atme vorerst ein paarmal tief durch. Werde dir dann bewusst, dass nicht sein Verhalten, sondern das was DU SELBST darüber denkst, der Grund für deine Gefühle ist. Gehe in dich und suche nach den Bedürfnissen, die unerfüllt sind. Achte auf deine Gefühle, wie sie sich verändern, wenn du deinen Bedürfnissen den notwendigen Raum gibst. Wut und Ärger wandeln sich sehr häufig dann in Frust, Ohnmacht, Einsamkeit, Stress, Angst, Trauer, Scham, Unzufriedenheit, usw.

Fasse den Mut zu deinen Gefühlen zu stehen, Verantwortung für dich und deine Gefühle zu übernehmen, sie mitzuteilen, dem anderen zukommen zu lassen. Das (Mit)Teilen der Gefühle geht oft schon mit einer großen Erleichterung einher und Wut und Ärger verschwinden oft augenblicklich. Du übernimmst in dem Moment Verantwortung für dich und für deine Gefühlswelt und gewinnst ein Gefühl der Macht. (Und zwar Macht im Sinne: Gegensatz zu Ohnmacht, nicht zu verwechseln mit Macht, die ich verwende um anderen zu schaden.) Beginne dann die Kommunikation mit deinem Gegenüber mit Sätzen wie: „Ich fühle mich... weil ich...“ und überlege dir klare, erfüllbare Bitten, die du an den anderen wenden kannst, wie er deine Bedürfnisse erfüllen kann. Je klarer desto besser. Denk immer daran, niemand kann „riechen“ wie es dir geht und wie es in dir aussieht. Es liegt an dir und in deiner Verantwortung, dich zu outen und vor allem die Verantwortung für dich und dein Glück selbst zu tragen. Nicolas Chamfort hat es unglaublich treffend formuliert: ES IST SCHWER, DAS GLÜCK IN UNS ZU FINDEN, UND ES IST GANZ UNMÖGLICH, ES ANDERSWO ZU FINDEN.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    barbara (Sonntag, 11 November 2018 08:27)

    Sehr treffend formuliert! Wenn man das nur immer imstande wäre ...