Inklusion, Exklusion, Integration... wtf...
Es ist mir eine wahre Freude, nein, eigentlich fast schon eine Ehre, dass mein Sohn, ein attestierter Asperger-Autist an einer Studie teilnimmt.
Er scheint in unserer Welt ja so etwas wie ein Einhorn zu sein, schimmernd in Regenbogenfarben wie das autistische Spektrum nun mal ist – und doch ist seine sogenannte "Behinderung" unsichtbar.
Vielschichtig, nicht leicht ein- oder gar zuzuordnen und irgendwie fast schon ein wenig mystisch angehaucht, dank dem Film Rainman, der Menschen glauben ließ, Autisten hätten Magieranwandlungen und könnten auf Anhieb die Menge von heruntergefallenen Zahnstochern mit einem Blick erfassen. Der Glaube jeder Autist hätte solch spezielle Fähigkeiten verbreitete sich dank dieses Films wie ein Lauffeuer und somit wird man gespannt von seinen Mitmenschen nach den übermenschlichen, vielleicht gar übersinnlichen Fähigkeiten des Nachwuchses gefragt, die jedoch Savants vorbehalten sind und in dem autistischen Spektrum zwar ihren Platz finden, aber dennoch so selten sind, wie die Nadel im Heuhaufen auffindbar ist.
Autistmus ist - wie der Name so schön sagt, ein Spektrum, und da ist von / bis so ziemlich alles dabei. Genauso kann man nicht das gesamte Spektrum als pathologisch bezeichnen und in die Psychiatrie verdonnern. Und doch...
Die Abteilung, an der sich Spezialisten z.B. mit Asperger-Autisten, seinen Blüten und deren Erforschung auseinandersetzen liegt in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, nicht etwas Psychologie, nein: Psychiatrie!
Nun gut, erstens wurde 1943 das Asperger-Syndrom damals noch von Dr. Asperger am AKH-Wien als „Psychopatische Schizophrenie“ bezeichnet. Puh, da haben wir ja heutzutage mit der Bezeichnung: Austismusspektrumstörung oder gar Asperger-Syndrom noch mal richtig Glück!
Was möchte ich mit diesem Artikel nun eigentlich bezwecken? Ich möchte keinesfalls die Schwere der Diagnose schmälern, vor allem nicht die Schwierigkeiten herunterspielen, die Betroffene, sei es nun jene aus dem Spektrum selbst oder Menschen aus dem näherem Umfeld, die mit der Diagnose und ihren Auswirkungen auf das tägliche Leben auftreten können.
Aber da ich selbst eine betroffene Mutter bin und täglich erlebe, wie mein Sohn sich tapfer durch eine Welt, geschaffen für Neurotypische kämpft, zwängt sich mir schon die Frage auf, ob er, nur weil er eventuell in den Submodalitäten empfindlicher ist und detaillierter wahrnimmt, deshalb eventuell oft auf Schwierigkeiten stößt, weil eben manches zu laut, vieles zu hell, einiges zu farbintensiv, wieder anderes zu scharf etc ist, er darum automatisch in die Psychiatrie verdonnert gehört.
Ich frage mich schon, ob man sich dabei auch mal überlegt, was es mit dem Menschen macht, der versucht, mit seiner differenzierten Wahrnehmung klar zu kommen, in „unserer“ Welt zu überleben und dann dennoch, trotz aller Bemühungen und Anstrengungen, als Fall für die Psychiatrie gilt.
Für mich wirft es prinzipiell die Frage auf, ob eine differenzierte, andere Art der Wahrnehmung, eine „Underconnectivity“ zwischen Präfrontalem Cortex und dem Visuellem Zentrum des Gehirns, ein etwas anders entwickeltes limbisches System, automatisch aus einem Menschen einen Fall für die Psychiatrie machen.
Solange diese Person für sich und für seine Umfeld keine Gefahr darstellt und mit sich und seiner Umwelt gut klar kommt, da sie genug Unterstützung, Respekt und Wertschätzung erfährt, so sein zu dürfen, wie sie ist, mit allen Ecken, Kanten UND Rundungen, solange wird diese Person auch lernen sich selbst zu akzeptieren und selbstsicher durchs Leben gehen können und so lange ist diese Person auch kein Fall für die Psychiatrie in meinen Augen.
Trotzdem erfüllt es mich mit Freude, dass mein kleiner Großer vielleicht dabei helfen kann, Asperger-Autisten besser zu verstehen. Denn je mehr Verständnis wir in unserer Gesellschaft aufbringen und je mehr geforscht wird, auch in die Richtung von „Einhörnern“ umso eher werden wir sie immer mehr einfach als Teil der Gesellschaft sehen und Integration wird irgendwann hoffentlich überflüssig werden, denn sie setzt immerhin voraus, dass vorher etwas exkludiert wird oder zumindest der Kontakt damit gescheut wurde. Denn es gibt keine Integration, keine Inklusion ohne vorherige Exklusion.
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Victoria (Freitag, 24 März 2017 07:58)
Wunderbar geschrieben! Genau diese Menschen sind eine Bereicherung in unserer kleinen und oftmals eingeschränkten Welt! Wir können noch viel von Ihnen lernen.