Schlimmer geht immer...

Das Wasser, welches ein Boot üblicherweise trägt ist das selbe, welches es zum Sinken bringen kann...

 

Und ich dachte immer, mein Leben WAR kompliziert und schwierig.

 

Aber frei nach dem Motto: „schlimmer geht immer“ hält es immer wieder Überraschungen für mich parat, die es nie langweilig werden lassen.

 

Mein Sohn ist mittlerweile 8 Jahre und 10 Monate alt. Seit 29. Jänner 2015 weiß ich – schriftlich bestätigt – dass er Asperger-Autist ist.

Im ersten Moment zieht einem das den Boden unter den Füßen weg und das darf es auch. Alle eventuellen Pläne, die man vielleicht hatte, Ziele, Träume sind vorerst mal ausgeträumt, sie weichen einer überdimensionalen Ungewissheit und Unsicherheit, was denn wohl kommen mag.

Und diese Ungewissheit bleibt, denn man kann einfach nicht voraussehen, wie er sich entwickeln wird, wie er es schaffen wird, zu „kompensieren“, sprich, mit seiner sogenannten geistigen Behinderung in unseren „normalen Welt“ zu bestehen.

 

Es vergehen die Jahre und man wird immer wieder von wohlgemeinten Ratschlägen, die mehr mit Schlägen als mit Rat zu tun haben, konfrontiert.

The best of:

„Hast du denn eine zweite Meinung eingeholt?“

„Man sieht ja gar nichts.“ Oder noch besser: 

„Das bildest du dir nur ein.“

"Meine Tochter... Mein Sohn... macht das doch auch..."

Wenn jemand nur den Funken eines Verstandes besitzt, dann muss es sich demjenigen einfach erschließen, dass es wohl kaum eine geistig gesunde Mutter auf der Welt geben kann, die sich wirklich eine Behinderung für ihr Kind WÜNSCHT. Noch schlimmer trifft diese Geschichte dann, wenn man solche Worte aus dem Mund einer sogenannten „Freundin“ (gut, das war die dann wohl auch...) hört.

 

Und dann, nach hin und her in der Schule, nach einem andauernden, unguten Bauchgefühl – habe ich mich entschlossen, ihn erneut testen zu lassen, denn irgendwas erschien mir einfach nicht schlüssig.

Die Erwartungshaltung an ihn – schulisch – war mir einfach zu hoch! 

Ich behielt ihn immer wieder mal zu Hause um richtig mit ihm zu lernen und merkte dabei, wie sehr selbst mich das überforderte, im Einzelunterricht! Und der sollte dann in einer Klasse was mitbekommen? Das Ergebnis was nicht nur im Zeugnis, sondern auch im teilweise mehr als schleppenden Fortschritt sichtbar.

 

Ein Beispiel? Wann beginnt der Frühling? Stoff 1. Klasse. Ich habe ihm ein Memory gebastelt, mit Farben hinterlegt, ein Lied komponiert mit unterschiedlichen Instrumenten, zu denen er bei einer gewissen Textstelle greifen sollte, habe ein interaktives Buch gekauft und ganz normal mit dem Schulmaterial zusätzlich gelernt. Nach 1 Woche (!) fragte ich ihn: „Schatz, wann beginnt denn der Frühling?“ Als Antwort bekomme ich: „Mittwoch?“ (Anm: und nein, es war KEIN Mittwoch, um mit dem "Rainman-Syndrom" aufzuräumen, er ist KEIN Savant, der auswendig wüsste, auf welchen Wochentag in dem besagten Jahr denn der 21.März gefallen wäre.)

Vor 1 Woche, genau 2 Jahre später, in denen dieser Stoff oft wiederholt wurde, das selbe Spiel wieder. So als ob er nie etwas darüber gehört hätte – bis jetzt.

 

Um es kurz zu fassen:

Das Ergebnis der erneuten Testung: Dario hat zusätzlich zum Asperger-Syndrom AD(H)S.

Also ADS ohne H.

 

Es kam wie ein Schlag mitten in die Fresse.

Die Ambivalenz – wieder ein mal – unbeschreiblich. Auf der einen Seite die riesen Erleichterung: Genau! Das ist es! Stimmt! Er KANN es nicht KÖNNEN! Und auf der anderen Seite: wieder eine weitere Hoffnung, die sich in Luft auflöst. Was wird das schon wieder bedeuten, für seine Zukunft. Wie hoch ist jetzt sein GdB (Grad der Behinderung?), welche Schule ist geeignet? Soll ich ihn gleich in Heimunterricht nehmen? Denn seit Monaten höre ich von der Schule: 

Das muss er lernen, da muss er schon irgendwie durch, wir versuchen eh Rücksicht zu nehmen, aaaber: in der nächsten Schule, wer weiß wie es da wird....

Der Druck ist groß und mit einem Schlag steigt er ins Unermessliche.

Wird mein Kind bestehen?

Ich möchte nicht, dass er noch einmal gebrochen wird.

Die Kindergartenzeit hat gereicht.

Er ist ein intelligentes Kind! Das erschwert das Ganze sogar. Denn er merkt seine Defizite und leidet.

Was ich mir aber wünsche ist ein glückliches Kind. Eines, welches auf seine Kindheit zurückblickt und sie in guter Erinnerung hat.

Ich brauche kein Kind, welches MEINEN Traum erfüllt, „nur“ ein glückliches.

Aber da wünsche ich mir schon ganz schön viel...

Denn das zu bewerkstelligen ist wohl die schwierigste Aufgabe, die noch schwieriger wird, wenn man eines hat, welches aus der Norm fällt und unsere Gesellschaft, welche das Wasser sein sollte, die ein Schiff zu tragen vermag, droht, das Schiff zu verschlucken...

Ich hoffe für Dario der Wind sein zu können, der ihm die Kraft gibt, wenn er seine Segel hisst, auf den Wellen des Lebens dahin gleiten zu können. Mehr nicht... Tja, ... ganz schön viel...

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Sabine (Montag, 01 Mai 2017 07:42)

    Womit auch immer du in deinem Leben konfrontiert bist, man hat immer das Gefühl, du schaust deinen Herausforderungen direkt ins Auge. Wertest nicht, fällst nicht jammernd in die Opferrolle und suchst nicht nach Schuldigen. Aus ALLEM versuchst du das Beste für dich und deinen Sohn herauszuholen. Du hast ihn gefordert und gefördert mit all deinen Möglichkeiten. Und das im Rahmen seiner eigenen ! Das verdient Respekt und meine absolute Hochachtung. und das, worauf er sein Leben aufbauen wird, ist die Liebe seines Elternhauses. Das beste Fundament.